VEDAS (ger)

This is the story of Sati

« Sati … Wer ist sie? Ein Perlmutt-Körper, auf einem grausamen Scheiterhaufen geopfert, während das Leben selbst noch ihrem jungen Blick nicht entwichen ist? Ist diese Verdammnis gerecht? Dieser kleine Haufen Asche, weggetragen vom Wind? Dazu verdammt, der Seele einer Dahingeschwundenen zu folgen? Und dann nichts? Vergessen? Alles ins Trübe getaucht? Oder ist dies das Wort, welches auf den Lippen brennt? Aufrichtig? All diese Wahrheiten, die wir dazu verurteilen, dahinzuschwinden. Die Wahrheit unseres Daseins. Unseres Durstes, unserer Torheit, verheerend oder lächerlich, unserer mehr oder weniger sinnlosen Träumereien, unserer gefallenen Hoffnungen. All die Genialität unserer beengten, müden, eingekreisten Gedanken… Dem Drang zu erschaffen, mit jeder Idee, jedem Sinneseindruck, jedem Verlangen und jedem Eifer zu wachsen… Wie ein Großteil der Asche, die wir in unseren traurigen Leben verstreut haben, wie so viele Scheiterhaufen, die wir errichten, wenn wir aufgeben: Sati ist all das. Der Drang absolute Schönheit zu erschaffen ebenso wie der Geschmack purer Freude all jener kleinen gestohlenen Träume auf einmal. Jeder, der darin einwilligt, ihre dargebotene Hand zu ergreifen, weiß, dass sie anmaßend, rebellisch, ist – von feuriger Schönheit in jedem Wort, jedem Atemzug, jeder Note… Nichts sollte für die Vorzüge des Tages verbannt werden, die Mechanismen des Alltags, der kalten Routine. Lass dich selbst von den Ideen überfluten, von den Träumen tragen und sei mutig genug, um den Sprung zu wagen, zu erschaffen…

Sati ist die Göttin, welche unsere Schwüre der Erfindung hervorgerufen hat, um dir das Angebot zu machen, mit dem Zwielicht zu kokettieren, diese seltsame Zwischenwelt, in welcher sämtliche Grundsätze neu definiert und alle Grenzen der Gedanken durchbrochen werden. Worte, Noten und Bilder vermischen sich hier in einem Reigen, der frei vom Kodex aller Genres ist. Sati ist unsere Allegorie der freien Inspiration, der Essenz der Kreativität, einem blauen Dämon, der über die Sinne herrscht, ein Wesen, welches nach Erneuerung lechzt, nach Schönheit ebenso sehr wie Melancholie. Sie ist unser Durst nach Ewigkeit. Denn, wenn wir die Grenzen überschreiten, ist es nicht mehr die Endgültigkeit, nach der wir streben, sondern ihr Gegenteil. Nur Weiterentwicklung zählt. »


VEDA I

Ich betrachte sie, wie sie vor mir sitzt, vertieft in das Studium der Vedas, von denen ich keine Ahnung habe. Ich werde diesen Moment, gestohlen von der Zeit, vermutlich nie überdrüssig. Gestohlen von ihrem Leben. Vermutlich ist sie sich dieses Ausmaßes gar nicht bewusst in diesem Moment. Ich bin nur ein Schatten, der ihr im Licht ihrer Lampe steht. Ich fühle mich wie ein Eindringling. Selbst wenn sie sich plötzlich dazu herablässt, die Augen zu heben und mich mit einem Lächeln nach Tinte, Notizbuch oder Stift fragt. Dieses Lächeln… so hintergründig. Ich bin nichts als eine Chimäre. Habe ich überhaupt das Recht, sie so zu beobachten? Ihren weißen Händen zuzuschauen, die gierig durch diese Arbeiten gehen? Sie leidenschaftlich in dieser kuriosen Aufgabe zu bewundern, welches sie zu einem Geheimnis führt, welches ich ihr nicht bieten kann? Diese Seiten, die gealterte Tinte, diese Sprache, von der ich nichts verstehe, doch was ihr so viel Glück bietet und sie mit einem Glühen umgibt, welches sie derart begehrenswert macht. Und trotzdem, wie sehr wäre ich in diesem Moment gerne ihr Meister, um Teil ihres Universums zu sein? Ihr Blick, so dunkel und nur für diese merkwürdige Welt außerhalb meiner Reichweite erhellt. Wie gerne wäre ich das einzige Objekt ihrer Bewunderung. Wie sie vor mir sitzt, so nah und doch so unerreichbar, bietet sie meinen Augen einen wundervollen Anblick. Ich bin so verrückt nach ihr, sie, die mich in diesem Moment ignoriert. Was weiß ich überhaupt von ihr? Wenn nicht nur ihr Name? Ihr Name, der wie das Echo eines Mythos klingt? Dieser Name, der wie grausames Schicksal klingt. In all der Stille schaue ich sie an, wie liest und schreibt. Um zu atmen. Zu existieren. Und eine merkwürdige Linie zwischen Welten zu ziehen.

Ihre Leidenschaft ist vollkommener als die meine und mein eigenes Universum scheint auf einmal viel zu blass, um den Anspruch zu erheben, ihres zu verdienen. Ich bin nur ein Pinselstrich, wo sie Inspiration ist. In meinem Wahnsinn träume ich davon, ihr so viele außergewöhnliche Welten zu erfinden, Welten ohne Gesetze, doch meine Gedanken hinterlassen nichts als Gift in meinem Blut. Ihre Welten spüre ich umso vollkommener. In welche Vergangenheit und Zukunft werden sie fallen? Ich möchte mit ihr ihre Träume, ihre Erfindungen, ihre Wünsche und Gebrechlichkeit betrachten. Ich bin nur ein Narr, denn ich glaube, ich sehe sie um sie herum fließen wie ein Fluss aus Gold. Und ich strecke meine Hand aus, um sie zu greifen. Sie ist einfach wunderschön, wie sie da mir gegenübersitzt, vergraben in den Schatten ihrer Bücher. Und ich bin ein Verrückter, der viel zu weit geht. Diese Bedrohung, die über uns hängt, scheint sie nicht zu stören. Und ich kann nur träumen. Davon träumen, sie zu retten. Sie, die nicht gerettet werden will. Und davon träumen, dass sie mich rettet, den Nutzlosen.

Zeit ist kurz, ich weiß. Doch es scheint mir, als würde nur ich leiden. Für sie spielen zwölf Tage oder zwölf Jahre keine Rolle. Also trinke ich jede einzelne Sekunde dieses Moments, wie ein Verdurstender, der die Momente zählt, die ihn immer noch vom Nichts trennen. Ich trinke jede Sekunde in der Satis Vision mich verzaubert und frage mich, warum sie mich ausgewählt hat.


VEDA II

Hätte ich mir das je vorstellen können? Damals, als ich immer noch in diesem Flugzeug saß, das Flugzeug, welches mich zu diesem unwahrscheinlichen Ziel brachte? Doch wer war ich damals? Einer dieser westlichen Touristen, der von seinem Alltag gelangweilt war und nach einer mystischen Bilderbucherfahrung sucht? Reiseplaner sind mit ihren Angeboten so großzügig. Und Indien, ein Klischee aus schillernden Farben. Alles, was ich brauchte, war dieser Touch der Exotik, um den perfekten falschen Trost zu haben angesichts eines geschmacklosen Lebens. Hätte ich mir das je vorstellen können? Wie ich versucht habe, so gut wie ich konnte, die gewaltige Menge des Kumbha Mela zu teilen um zu den Banken zu kommen, um vorzugeben so nah wie möglich der gehashtaggeden Zeremonie zu leben und den lebenden Beweis meiner sonntägliche Unterhaltung über die Mysterien fremder Kulturen auf meinen sozialen Netzwerken zu bringen?
Unter diesem Himmel voller schwarzer Wolken, der mit all seiner Kraft gegen die goldenen Strahlen der Sonne kämpft, tanzt nackt Sadhu Naga Baba und alle gleichen Gesichter drehen sich zu den Gottheiten und Dämonen, deren Bedeutung in meinem Alltag voller numerischer Werte und bodenständigen Gedanken einfach keinen Sinn macht. Die Füße ins Wasser getaucht, so heilig wie giftig, in diesem großartigen Schlamm… Plötzlich fand sie ihren Weg zu mir, vor mir… Und nichts hatte darauf hingedeutet. Und mein ganzes Leben, dreckig, eingeengt, stinkend vor Stolz, weich und herrisch zugleich, wartend auf meine Rückkehr in zwölf Tagen und von mir fordernd nicht mehr als ein glücklicher Tourist wie Millionen andere zu sein, hatte mich nicht darauf vorbereitet. Ich, der Fremde, dessen Bewusstsein vor falscher Annahmen geschwollen war, fühlte sich in seinen Grundfesten erschüttert. Und das perfekte Bild, welches ich einfach nur machen wollte, wie Millionen andere, ergab keinen Sinn mehr.

Das Ballett der fantastischen Farben, welches wie eine Fieberwelle in diesen heiligen Wassern herunterlief, wurde einfarbig und still.

Sie war einfach nur in einfache blaue Seide gehüllt, ohne die leichteste Verzierung, doch nichts konnte sich mit dem Leuchten ihres Gesichts messen. Kein Blitz traf mich, sie ist nicht den Gewässern des Ganges entstiegen und sie umgab kein Heiligenschein. Sie stand einfach vor mir, ihr Gesicht von einem rätselhaften Lächeln erhellt. Doch die eindrucksvolle Menge der ‚anderen‘ existierte plötzlich nicht mehr für mich. Warum drehte sie sich zu mir? Warum schaute sie mich mit diesen schwarzen Augen an, in denen ich versinken wollte? Und warum zog sie mich mit einer Geste nahezu kindlicher Einfachheit mit sich, als wäre dies selbstverständlich? Ich konnte es nicht sagen. Die Berührung ihrer Hand in meiner… Ich folgte ihr. Ich konnte ihr nicht länger wiederstehen. Als sie vorbeiging, wichen Sadhu Naga Baba und ihre Krieger, deren Körper in Asche gehüllt waren, zur Seite. Ich versuchte nicht, dies zu verstehen. Ich kümmerte mich auch nicht um ihre merkwürdigen Blicke. Ich war zu fasziniert von dieser Fremden, die mich mit einer unendlich eleganten Bewegung aus blauen Seide mit sich nahm.


Protégé par Cléo

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